Aus dem Trierischen Volksfreund, 27. Februar 2023:

 

Gegenverkehr nach innen und außen

Eine ausgesprochen interessante Position zeigt die Gesellschaft für Bildende Kunst in ihrer Galerie im Palais Walderdorff. Dort sind Gemälde des Berliner Künstlers Sador Weinsclucker zu sehen.

 

TRIER | (er) Nichts ist sichere Gewissheit in den Bildwelten von Sador Weinsclucker, weder die augenscheinliche Gegenwart noch die darin zitierte Vergangenheit. Alles bleibt Vorstellung und künstlerischer Wille und ist doch Ausdruck gelebten Lebens und geistiger und seelischer Erfahrung. Derzeit sind die Gemälde des Berliner Künstlers in der Galerie Palais Walderdorff in Trier zu sehen. „Sieh hin“, weist der Ausstellungstitel die Betrachter recht oberlehrerhaft an. Da ist man mit dem Titel des ausliegenden, sehenswerten Katalogs „Der Weg nach innen und außen“ besser bedient. Um eben diese Dialektik der Innen- und Außenschau, die in Wirklichkeit gar kein Widerspruch, sondern eine Verschränkung ist, geht es in dieser Ausstellung. Dabei ist es sicher nicht tollkühn zu vermuten, dass sich in der nach außen und innen führenden malerischen Wegstrecke Welterfahrung und Seelenleben des Künstlers verdichten und als neues Bild überformt nach außen transportiert werden.

Die Bildwelten des 1957 in Düsseldorf geborenen Malers sind stille, in sich ruhende, entrückte Welten. Das rührt nicht zuletzt von der feinen Ölmalerei und der zum Teil dämmrigen Atmosphäre, wie sie sich uns auch in den Bildern der Erinnerung darstellt. Bei manchen dieser Gemälde (das fällt auch beim Blättern im Katalog auf) fühlt man sich atmosphärisch an Andrei Tarkovskys berühmten Film „Nostalghia“ erinnert. „Innen“ das ist in diesen Bildern der verglaste Raum, der den Blick nach außen öffnet und die Außenwelt der Landschaft nach innen holt oder die Treppe, die gleichermaßen in den schützenden Innenraum wie in eine fremde Welt nach draußen führen kann. Weinscluckers Bildwelten sind mit ihrem Mix aus Gegenwart und Reminiszenz, aus Erinnerung und historischem Verweis aus jeder definierten Gegenwart genommen. So verbinden sich in den Kompositionen des Malers moderne Architektur-Elemente und Design-Klassiker mit Hinweisen auf die Malerei des Barocks und ihrer Lichtsetzung sowie auf die Landschaftsmalerei der Renaissance.

 

Als die Zeiten übergreifende Bilder lassen sich die Weinscluckers Gemälde als Bilder der Zeitlosigkeit lesen, wie sie in den Archiven der Erinnerung lagern und sich in Träumen und Sehnsüchten darstellen. In ihnen werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins. Die Interieurs des Berliner Malers, seine vor sich hin sinnenden Landschaften sind wie gesagt ausgesprochen ruhige Bilder, die dennoch jede Menge Verstörungspotenzial aufweisen, so wie die manifeste Welt selbst und die immaterielle der Blackbox der Seele.

 

Was hat der Feuerlöscher im altmeisterlichen Stillleben mit Äpfeln verloren, fragt man sich. Wie passt der Blick aus der Glasbox des modernen Wohnraums in die Landschaft zur bereits erwähnten Perspektive der Renaissance-Malerei? Auch das wäre zu klären. Kaum weniger irritieren die skurrilen Bildtitel, die für ironische Brechung und dabei für jene Aufmerksamkeit sorgen, die der Ausstellungstitel so energisch fordert. Nicht zuletzt verhindern die satirischen Bildtitel, dass die ins Bild gesetzte Innen-und Außenschau ins Pathetische verfällt. „Lass es sein“, heißt ein Gemälde. „Fang gar nicht erst an“, ein anderes. Satire und Ironie sind seit jeher ein Mittel, dem Tragischen durch Lachen beizukommen. Auch dazu mögen die satirischen Titel dieses ins Bild gesetzten seelischen Gegenverkehrs beitragen. Positionieren diese menschenleeren Bilder das Individuum doch als Wesen im Spannungsfeld äußerer Zumutungen und innerer Befindlichkeiten.

 

 

Mit Weinscluckers Gemälden präsentiert die Gesellschaft für Bildende Kunst im Palais Walderdorff nicht nur eine eigenständige, sondern auch eine sehr interessante Position, die eindrücklich Hans-Georg Gadamers philosophische Forderung erfüllt, nach der die Kunst jenen Augenblick des Verweilens, Staunens und Innehaltens ermöglichen muss, der dem modernen Menschen und seiner hektischen Zeit weithin abhandengekommen ist. In einer Zeit dokumentarischer Bilderfluten stehen Weinscluckers Gemälde zudem für den Anspruch der Kunst auf ihre Symbolhaftigkeit und in Metaphern zu sprechen. Solche symbolische Bildersprache macht auch dem Betrachter den Weg frei für die eigene Innen-und Außenschau.